Stefan von Bothmer mit Mitarbeitern

Nicht iiih, sondern ohhh! Wie das Abwasser zur Wärmequelle wird

Mit dem Abwasser aus der eigenen Toilette, Dusche und Spüle einen Großteil der Energie für das Heizsystem aufbringen – klingt zu naheligend, um wahr zu sein? Auf dem Bamberger Lagarde-Campus wird aber genau das Realität. Was hinter der Technik steckt und wie diese eingesetzt wird, um Ressourcen zu schützen und effektiv Kosten zu sparen, erklärt Stephan von Bothmer, Geschäftsführung Energie bei UHRIG.

Viele Menschen = viel Abwasser = viel Wärme

Den ganzen Tag über produzieren wir Abwasser: Nach dem Aufstehen und vorm zu Bett gehen, beim Zähneputzen, Duschen und Toilettengang; tagsüber beim Kochen, Spülen und Waschen. Rechnet man die Schmutzwasser-Daten des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew) herunter, um einen Anhaltspunkt für die durchschnittliche Abwasserproduktion zu gewinnen, kommen im Schnitt allein pro 2-Personen-Haushalt am Tag etwa 354,2 Liter Abwasser zusammen (Stand 2016). Da kommt eine Menge zusammen!

Wenn das im Haushalt verbrauchte Wasser im Kanal ankommt, hat es je nach Jahreszeit eine Temperatur von 5 bis 25 Grad Celsius und ist damit gerade in kalten Monaten deutlich wärmer als die Außentemperatur. Dementsprechend kann die Wärme das ganze Jahr über genutzt werden.

Genau diese Eigenschaften machen sich die Stadtwerke Bamberg zu Nutze, um die Menschen auf dem Lagarde-Campus mit umweltfreundlicher Wärme zu versorgen. Dafür haben sie uns beauftragt: Wir nutzen die vorhandenen Strukturen und diese kostenlose Energiequelle zum klimafreundlichen Heizen.

Mitarbeiter mit Wärmetauschermatte im Kanal

Im Visier: Abwasserkanal in der Zollnerstraße

Das Abwasser eines Großteils der Haushalte in direkter Nachbarschaft zum Lagarde-Campus läuft im Kanal unter der Zollnerstraße zusammen. Mein Team und ich haben dort 2021 im Auftrag der Stadtwerke auf dem Boden große Wärmetauschmatten aus Edelstahl montiert und mit einer Gesamtlänge von 250 Metern den längsten Abwasserwärmetauscher in ganz Bayern geschaffen! 

Die Technik ist bereits seit vielen Jahren ausgereift und kommt in anderen Städten bereits erfolgreich zum Einsatz. Sie kann wirtschaftlich und ohne Probleme im Einklang mit den wasserwirtschaftlichen Anforderungen betrieben werden.

In den Stahlmatten zirkuliert auf einer Fläche von 2,8 Tennisfeldern (720 qm) ein Sole-Wassergemisch, das die Restenergie des darüber fließenden Abwassers aufnimmt. Über eine rund einen Kilometer lange Anbindung wird die in der Flüssigkeit gebundene Wärme zur Energiezentrale auf dem Lagarde-Gelände transportiert. Von dort gelangt sie zu den Wärmepumpen der Gebäude, die mit Hilfe von Sonnenstrom auf den Dächern die gewonnene Wärmeenergie auf ein höheres Temperaturniveau bringt und dem Heizkreislauf in den Häusern zur Verfügung stellt: 60 Grad heißes Wasser für Küche und Bad und 30 Grad heißes Wasser für die Fußbodenheizung. Auf diesem Weg produzieren die Stadtwerke jährlich rund 2.300.000 Kilowattstunden Wärme und sparen damit umgerechnet 230.000 Liter Heizöl ein.

Wichtig zur Regeneration im Sommer

Im Sommer, wenn wenig Wärme fürs Heizen gebraucht wird, dient die überschüssige Wärme des Abwassers zur Regeneration des Erdreichs unter den Gebäuden. Denn die auf Lagarde verbauten Erdkollektoren entziehen dem Erdreich während der Heizperiode Wärme. Würde dem Boden im Sommer keine Wärme zugeführt, würde es mittelfristig dauerhaft auskühlen und stünde als Wärmequelle nicht mehr optimal zur Verfügung. Damit trägt die Abwasserwärme auch entscheidend zur langfristigen Funktionstüchtigkeit des gesamten Wärmekonzepts bei.

Reinhören!

Das Abwasserwärmekonzept kurz und knapp erklärt:

"Die Idee Wärme aus Abwasser zu gewinnen, ist schon alt. Das Energiepotenzial ist riesig und der Beitrag, den die Abwasserwärme zur Wärmewende leisten kann, signifikant."

"Bei der Abwasserwärme wird ein simples physikalisches Prinzip ausgenutzt: Das Prinzip der Wärmeübertragung. Das kennt eigentlich jeder vom Frühstückstisch."

Abwasserwärme auf Lagarde: Stephan von Bothmer im Kanal unter der Zollnerstraße

Stephan von Bothmer ist Geschäftsführer Energie bei der Firma UHRIG. Er weiß um den Schatz unter unseren Füßen und wie man das Potenzial des Abwassers ausschöpft - im Sinne des Klimaschutzes und der Wärmewende.

 

Alle, die hinter die Kulissen von Bambergs größter Baustelle schauen und dabei sowohl technische als auch geschichtliche Hintergründe erfahren möchten, sind bei einer Führung über das Gelände richtig.  

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